Ein Gesellschafter – Geschäftsführer einer aus zwei Personen bestehenden GmbH, der 50 % der Anteile am Stammkapital hält, ist nur dann selbstständig, wenn ihm gegenüber dem anderen Gesellschafter bei Stimmengleichheit ein im Gesellschaftsvertrag verankertes Stichentscheidsrecht zusteht. Ohne ein solches Stichentscheidsrecht ist der Gesellschafter – Geschäftsführer abhängig beschäftigt.

So hat das Sozialgericht Neubrandenburg mit Gerichtsbescheid vom 10.9.2024 (SG Neubrandenburg Gerichtsbescheid v. 10.9.2024 – S 7 BA 7/2) entschieden. Diese Entscheidung liegt nicht nur auf der Linie der Rechtsprechung der Sozialgerichte der letzten Jahre, sondern verschärft die Anforderungen der Gerichte an die sozialversicherungsrechtliche Selbstständigkeit von Gesellschafter-Geschäftsführern noch. Seit den November – Urteilen des Bundessozialgerichts und dem Ende der „Kopf und Seele“– Rechtsprechung wird für die Frage, ob im eigenen Unternehmen mitarbeitende Gesellschafter- Geschäftsführer abhängig beschäftigt oder selbstständig sind, nicht mehr auf die Weisungsunterworfenheit im Sinne der Pflicht zur Befolgung von Arbeitgeberweisungen, also dem Direktionsrecht, abgestellt. Die Sozialgerichte stellen vielmehr darauf ab, ob der Gesellschafter- Geschäftsführer „unliebsame Weisungen“ der Gesellschafterversammlung verhindern kann.

Das BSG hatte seine Rechtsprechung dahingehend ausdifferenziert und für die Praxis – vermeintlich – geklärt, dass ein Gesellschafter – Geschäftsführer jedenfalls dann unliebsame Weisungen verhindern kann, wenn er eine Beteiligung von 50 % hält und damit Beschlüsse gegen sich verhindern kann. Damit wird die Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen vermieden. In den Jahren 2023 und 2024 deutete sich jedoch eine weitere Verschärfung der Rechtsprechung des BSG zum Status von Gesellschafter – Geschäftsführern an. Die bloße Verhinderungsmacht sei nicht mehr ausreichend, erforderlich für die sozialversicherungsrechtliche Selbstständigkeit sei vielmehr eine Gestaltungsmacht. Dieses Erfordernis stellt nun auch das Sozialgericht Neubrandenburg in seinem aktuellen Urteil auf.

Unter Verweis auf neuere Urteile des Bundessozialgerichts führt es in seinen Entscheidungsgründen aus, dass bei einem GmbH-Geschäftsführer, der zugleich als Gesellschafter am Kapital der Gesellschaft beteiligt ist, der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft das wesentliche Merkmal bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit sei. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer sei deshalb nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbstständig tätig, sondern müsse, um nicht als abhängig Beschäftigter angesehen zu werden, über seine Gesellschafterstellung hinaus die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht sei bei einem Gesellschafter gegeben, der zumindest 50 % der Anteile am Stammkapital hält. Die Rechtsmacht, in der Gesellschafterversammlung allein Einfluss auf die gewöhnliche Geschäftsführung nehmen (oder diesen verhindern) zu können, reicht jedoch nicht, um die Geschicke des Unternehmens mitzubestimmen, und ändere nichts daran, dass Selbstständigkeit eine umfassende Gestaltungsmöglichkeit erfordere.

Das Sozialgericht Neubrandenburg kommt danach für die aus zwei Personen bestehende GmbH, deren Geschäftsführer jeweils 50 % der Anteile halten, zu dem Ergebnis, dass sie abhängig beschäftigt sind, also Sozialversicherungsbeiträge für sie abgeführt werden müssen. Zwar halte der Geschäftsführer in dieser Konstellation jeweils 50 % am Stammkapital, so dass sich beide bei der Beschlussfassung gegenseitig blockieren könnten. Indes würde eine solche Pattsituation nach Auffassung des Sozialgerichts Neubrandenburg nur für eine bloße Verhinderungsmacht des Klägers sprechen, nicht aber für eine aus den nach der Rechtsprechung des für die Annahme seiner Selbständigkeit kraft Gesellschaftsvertrages nunmehr herzuleitende umfassende Gestaltungsmacht iS einer Mitbestimmung der gesamten Unternehmenspolitik.

Der Gerichtsentscheid des Sozialgerichts Neubrandenburg zeigt, dass künftig noch mehr GmbHs mit hohen Beitragsnachforderungen der Deutschen Rentenversicherung Bund konfrontiert werden. Die die Annahme, mit einer Beteiligung von mindestens 50 % stehe Mann als Gesellschafter – Geschäftsführer auf der sicheren Seite und könne nicht mit Beitragsnachforderungen überzogen werden, erweist sich als Trugschluss. Auch der Gesellschaftergeschäftsführer, der mit einer Stimmkraft von 50 % jeglichen Beschluss gegen sich verhindern kann, wird als abhängig beschäftigt angesehen, weil er nur eine Verhinderungsmacht, aber kein Gestaltungsmacht hat.

Familiengesellschaften in der Rechtsform der GmbH ist daher dringend zu empfehlen, den sozialversicherungsrechtlichen Status ihrer Gesellschafter-Geschäftsführer prüfen zu lassen.

Beitrag von: Dr. Rolf Stagat

Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht